Lesung von In-Rage e. V. in Kooperation mit dem Weiterbildungszentrum Ingelheim und Rheinhessen gegen Rechts e. V.
Das Bild vom Nazi-Skinhead mit Springerstiefeln und Bomberjacke hat sich angesichts der nationalpopulistischen Wutbürger-Bataillone und der Neuen Rechten in Europa und anderswo vollends als veraltetes Stereotyp offenbart. Zeitgenössische rassistische und nationalistische Weltanschauungen haben andere Symbole, Argumentationsweisen und Vorbilder entwickelt. Doch hinter der Fassade dieser Labelkosmetik verbirgt sich die Kunst, Ewiggestriges mit vermeintlich unverfänglichen Etiketten zu versehen und das immer Gleiche mit neuen Namen zu formulieren.
Im Vortrag analysiert Christian E. Weißgerber, aufbauend auf seine Erfahrungen in der organisierten Neonazi-Szene, der sogenannten Autonomen Nationalisten, sowie seiner wissenschaftlichen Recherche über ideologische und personelle Überschneidungen mit der Neuen Rechten in Deutschland und Europa, deren Strategien und versucht gemeinsam mit dem Publikum Präventions- und Widerstandsstrategien zu skizzieren. Was sind die Ideologeme sowie Faszinations- und Motivationspunkte für Radikalsierungen in rechtsextreme, verschwörungsmythische Politiken? Im Weiteren benutzt Christian E. Weißgerber seine eigene (De)Radikalisierung als Fallbeispiel, um für die Teilnehmenden nachvollziehbar zu machen, wie und warum so etwas ablaufen kann. Diese Veranstaltung ist nicht nur eine Einführung ins Themenfeld, sondern vermittelt auch strukturelles Verständnis zu rassistischen und verschwörungsmythischen Erzählungen.
Der Vortrag beschäftigt sich im Weiteren mit der sogenannten `Pluralität` der Rechten. Denn die Stereotype von Skinheads mit Springerstiefeln helfen Neo-Nazis und Neuen Rechten durchaus, weil sie sich so als ‚ganz normale Bürger‘ inszenieren können – siehe AfD und Co.
Zugleich geht es darum, deutlich zu machen, dass man ‚Nazis und Rassist*Innen‘ nicht am Aussehen erkennt, sondern daran, was sie sagen und wie sie handeln. Hierfür stellt Christian E. Weißgerber die sich in leichten Veränderungen stets wiederholenden Denk- und Verhaltensweisen rassistischer und nationalistischer Ideologien vor (á la ‚Ich bin kein Rassist, aber… Ethnopluralist?!‘).
Diese strukturellen Wiedererkennungsmerkmale eigenständig zu erkennen und kritisch beleuchten zu können, kann als Grundlage für eine demokratische Kultur gelten, die rassistische und nationalistische Politiken auch in ihren labelkosmetisch aufgehübschten Formen zu entlarven vermag.
Es ist und bleibt wichtig, sich immer wieder gegen jegliche Form menschenverachtender Ideologie(n) stark zu machen.
Mein Vaterland! Warum ich ein Neonazi war · 24.11.2022 · WBZ Ingelheim